Archiv des Autors: Steinmädchen

Extremismus schlägt Mittelweg

Ein weiterer Text aus meiner Psychoreihe. Diesmal geht es mehr um eine der Lieblingslebensvorstellungen meiner Therapeut_innen. Wenn ich diesen Text vor ein paar Tagen geschrieben hätte, würde es anders anfangen, würde ich lautstarker propagieren, kämpferischer schreiben. Jetzt ist gerade alles ein bisschen anstrengend.

Wie ihr vielleicht aus andern Texten erlesen konntet, habe ich durchaus einiges an Therapie- und Psychiatrieerfahrungen gesammelt. Diagnosensammeln gespielt und tolle Vorschläge bekommen, was ein lebenswertes Leben ist. Was geht und was sowieso keine Zukunft hat. Weiterlesen

gegen die Natur – und dann auch noch aggressiv

Das was jetzt kommt ist nicht neu, nicht kreativ, nicht besonders verarbeitet, es ist einfach nur wieder mal beschissener Alltag. Auch in den Seifenblasen.
In einem Raum wo ich mich austauschen will, wo ich über Verletzungen reden möchte, Support suche – da trifft es mich jedesmal wieder wie ein harter Schlag vor die Brust und alles zieht sich zusammen wenn Personen so krassen homofeindlichen Scheiß von sich geben. Natürlich sind sie ach so tolerant.
Aber es lässt sich ja auch gerne nochmal und nochmal darauf hinweisen, dass EIGENTLICH ja nur Mann und Frau zusammengehören. Von der Natur so gewollt. Selbstverständlich würde das nicht heißen, dass man das nicht akzeptiert. Aber es ist eben widernatürlich. Und deswegen sollten sich die Homos nicht so laut verhalten und ihre Lebenseinstellung so weit verbreiten…
Ich brauch eigentlich nicht zitieren. Und auch keinen Blogtext drüber schreiben. Alles schon so oft gesagt, so oft zitiert, so oft analysiert und auseinandergenommen.
Gerade werde ich müde davon. Ich will das nicht.
Und vor allem will ich das nicht in Räumen, die für mich einen sicheren Ort da stellen sollen, ob nun online oder in physischen Räumen. Wenn ich über Seelenwunden reden möchte, dann suche ich mir einen Ort dafür, wo andere vielleicht ähnliche Narben haben. Damit ich mir nicht so vereinzelt vorkomme. Weniger ohnmächtig.
Wenn ich das tue und dann stehe ich plötzlich vor einer Wand von Gewalt und kriege den Eindruck vermittelt, die hysterische Irre zu sein, die nicht friedliche Diskussionen führen kann, zu empfindsam ist, zu aggressiv. Dann weiß ich einfach nicht wohin und nicht wie reagieren wenn die andere Person so viel Macht und Ansehen hat und ich die kranke, widernatürliche Verrückte bin.
Das macht mich wieder ohnmächtig. Und ich wollte doch nicht mehr ohnmächtig sein.
Ein Blogtext über alltäglichen Hass. Wie gesagt. Schon hundertmal gehört. Und trotzdem tut jeder einzelner Schlag wieder weh. Und einen Umgang hab ich immer noch nicht. Kackscheiße die Tausendste.
Ich hab so kein Bock mehr.

Anekdoten aus der Psychiatrie – „Nein, ich bin NICHT unglücklich!“

Unter der Kategorie „Wahnsinn“ bring ich künftig künftig kleine Anekdoten aus dem psychiatrisch/psychotherapeutischem System. Gut, witzig sind die in der Regel nur bei entsprechendem Galgenhumor. Aber welche Dialoge alles geführt werden können… Ich habe auch gute Einzelerfahrungen gemacht, mit ner netten Therapeutin, coolen Pflegerinnen und so weiter. Aber mir geht es darum, langsam eine Struktur zu checken, die in diesem System steckt: Entmündigung, Patriarchale Kontrolle, Unterdrückung von Wut, Kapitalistische Verwertbarkeit und vor allem Normierung. Oder eben eine dauerhafte Abweichung als „krank“ zu bilden, damit sich die Mehrheitsgesellschaft bloß nicht hinterfragen muss.
Nicht, dass ich etwas gegen Psychiatrie im Speziellen habe. Kann im Individualfall helfen. Ich habe mir immer das rausgepickt, was mit geholfen hat. Buffet-Prinzip. Alles mal ausprobieren und nehmen was schmeckt. Das erweitert den Handlungshorizont. Aber irgendwie ist dieses Prinzip bei der Institution noch nicht ganz angekommen. Denn es gibt ja „Expert_innen“, die wissen was mir schmecken muss. Auf Grund einer Diagnose. Oder eines Fehlverhaltens/denkens. Und wenn mensch tendenziell eh schon genug zu kämpfen hat, ist es nicht so einfach durchzukriegen, was selbstverständlich sein sollte. Dass ich nicht essen muss, wovon mir schlecht wird.

Wer es noch nicht ausprobiert hat: es ist sehr einfach in der der Psychiatrie zu landen. Wenn es egal ist, wohin es geht. Die Freiwilligkeit sei dahingestellt wenn die Wahl zwischen Feuerwehr und „freiwillig“ gestellt wird. Aber nun gut. Geht eben schnell. Als „Krisenpatientin“ (Verdrängungsmechanismen versagten, daraus folgte Überforderung und Gefühle von Leere) führte ich dann folgendes Gespräch:
„Ich bleibe nur bis ich wieder grob klar komme, mein Umfeld tut mir gut und es ist nur eine Notlösung.“
Ärztin schweigt. Dann: „Fühlen Sie sich unglücklich?“
„Nein. Leer.“
Blabla folgt. Dann Ärztin erneut: „Wegen Ihrer Traurigkeit…“
„…ich bin nicht traurig.“
Erklärungsversuche was das heißt mit der Leere, dem Nichts und den Gedanken von Früher. Das ich ein bisschen Zeit brauche.
Ärztin unterbricht: „Ich verschreibe Ihnen…“
„…danke, ich möchte nichts. Ich brauche nur ein paar Tage um wieder klarzukommen.“
Ärztin: „Aber wenn Sie sich unglücklich fühlen…“
„Ich bin nicht unglücklich.“
Ärztin: „Aber wenn Sie Depressionen haben…“
Ich gab auf. Wie oft sollte ich noch erklären, dass ich NICHT depressiv war? Aber klar, einmal depressiv, immer depressiv. Einfaches System.
Wie es überhaupt dazu kam war genauso lustig. Ich völlig überfordert, Alpträume, Vergangenheitsblablubb und kaum noch Gefühl für die „Realität“. Ich sagte meiner Therapeutin, dass ich es gut fände, sich damit zu beschäftigen. Sie völlig abwehrend: „Wir können uns damit jetzt nicht beschäftigen. Sie sind nicht stabil genug.“
Was ich wollte spielte also wieder keine Rolle.
Nach dem ersten Abendessen klopfte es an der Zimmertür. Pfleger: „Sie haben ihre Medikamente nicht abgeholt.“

„Ich sagte doch, dass ich keine will.“
„Das müssen Sie mit der Ärztin besprechen.“
Ich war müde und erschöpft und wollte nicht mehr kämpfen. Und ich war wütend aber konnte einfach nicht mehr. Also fügte ich mich.
Und was gabs: Tavor. Beruhigungsmittel. Tötet so ziemlich jeden Gefühl ab. Nicht, dass ich nicht sagte, dass ich mich leer fühle. Natürlich hat es mir nicht geholfen. Mir ging es noch viel schlechter. Also ging ich am nächsten Tag zum Pflegepersonal. Erklärte, dass ich keine Medikamente will und das auch gesagt habe.
„Aber ihre Ärztin hat das mit ihrer ambulanten Therapeutin abgesprochen.“
ABER NICHT MIT MIR!, wollte ich die Personen anschreien und presste nur wütend und ungläubig hervor:
„Aber ich sagte doch ich will nicht.“
Da können sie jetzt auch nichts machen hieß es. Nach anstrengenden Debatten stellte sich heraus, dass die Ärztin schon Wochenende hatte und das erst Montag geändert werden könne. Ich hatte keine Bock mehr auf Diskussionen.
Also habe ich die Drogen brav abgeholt – und dann eingesteckt. Könnte ja ne gute Schwarzmarktgeldquelle sein.

Nach ner Woche kam ich besser klar – ohne Medikamente, die ich in Plastikschnapsbechern (lassen sich auch gut wieder verwenden) sammelte. Ich wollte wieder heim. Was ich mir einfach vorstellte, rein ging doch auch einfach.
„Das geht jetzt nicht so einfach.“
„Wies0 das?!? Ich will nach Hause! Sofort!“
Die tolle Ärztin erklärte mir dann erstmal, dass eine Krise normalerweise 10 Tage dauert. a) Wer legt das bitteschön fest? Und b) Warum sagt mir das niemand wenn ich sage, dass ich schnell wieder raus will?? Dann folgte der Oberknüller:

„Ihnen geht es jetzt ja nur so gut wegen dem Tavor. Das müssen wir erstmal ausschleichen.“

Wenn das nicht wahnsinnig macht…

„Machen Sie doch einfach mal Sport“

Zum Teufel mit eurem scheiß Sport! D a s Allheilmittel für alles.
Du bist traurig oder unglücklich? – Geh raus, mach Sport.
Du fühlst dich zu dick? -Geh joggen, dann nimmst du auch ab.
Du kannst vor Alpträumen nicht schlafen? -Nach dem Sport schläfst du besser.
Das ist echt absurd, wann und wo ich mir diesen Satz anhören muss. Völlig unabhängig davon ob ich mich tatsächlich nicht bewege oder fünfmal die Woche zum Sport gehe. Irrelevant. Die Frage entsteht dadurch, dass ich wahlweise als „übergewichtig“ oder „fett“ definiert wurde/werde. Selbst als ich ne Mittelohrentzündung hatte, fragte die Ärztin, ob ich mich denn bewegen würde. Großartiger Zusammenhang.
Besonders gelungen fand ich diesen Satz immer von Therapeut_innen. Die haben das auch wirklich alle gesagt. Stellt euch einmal folgende absurde Gesprächsfetzen vor:

„Ich habe ein Problem mit meinem Körper.“
„Gehen Sie doch mal Joggen.“
„Ich hasse meinen Körper.“
„Sie sollten mehr Sport machen.“
„Mir hat ein Typ gesagt mein Outfit wäre zu gewagt.“
„Mit Sport nehmen sie bestimmt ab.“

Da bleibt bei mir nur WUT. Dieses Gefühl, wo vor Wut die Tränen kommen.
Fällt eigentlich nur mir auf wie wenig die Reaktionen mit dem zu tun haben was ich da gesagt habe? Wie wenig die Lösungsvorschläge auf meine Probleme eingehen? Keine einzige Nachfrage, woran das überhaupt liegt, dass ich mich so unwohl in meiner Verpackung fühle. Gleich die Lösung. Und diese Lösung soll, wie am Ende deutlich wird, auch nicht für meine negativen Gefühle da sein, sondern tatsächlich zunächst ganz klar für eins: Abnehmen.
Ich halte das für eine total großartige Idee, diese Botschaft Menschen mitzugeben, die es eh schon geschafft haben, ihrem Körper genau dem Wert selbst beizumessen, den eine patriarchale Gesellschaft ihm zuschreibt. Minderwertiges Objekt.
Den Gedanken, dass ich gerade vielleicht ganz andere Sorgen habe und mich diese Anforderung nur noch mehr daran erinnert, nicht genug zu sein, hässlich / faul / unsportlich / undiszipliniert – eben all das was fette Menschen in unserer Gesellschaft sein sollen – den Gedanken, dass ich ganz andere Sorgen haben könnte, der kommt anscheinend nur mir.
Ich habe es sogar mal versucht. So wie manchmal eben die Verzweiflung so groß ist, dass sich jedes Heilsversprechen irgendwann gut anhört. Einen Sommer lang intensiv. Mehrmals Training, mehrmals Laufen zusätzlich. Nicht, dass es nicht Spaß gemacht hätte. Im Schlamm prügeln ist echt nicht schlecht als Ansatz. Aber es hat kein einziges Problem gelöst. Weder habe ich ein Kilo abgenommen, noch habe ich mich besser gefühlt.
Und irgendwann konnte das, was mir der Sport geboten hat, nicht mehr gegen den Schmerz an, den er verursacht hat. Sportklamotten vermitteln mir das Gefühl nackt zu sein, egal wie weit sie sind. Die Blicke von außen machen es nicht besser. Und es ist ein verdammt scheiß Gefühl, dem verhassten Körper und den Blicken der anderen so sehr ausgeliefert zu sein.
Und wenn ich dann während dieser Zeit zum Arzt gehe und mir den Vorschlag anhören muss ich solle doch mal Sport machen – wegen meinen Problemen – dann will ich nur noch alles kurz und klein schlagen.

nur ein bisschen daneben

Wenn ich so eine Werbung sehe, weiß ich gar nicht wo anfangen vor Wut. Ist es leicht zu haben oder die kleine Dicke oder dieses kack Reicht doch? Wieso wird Werbung beim dem Versuch, ach so witzig zu sein, so schnell zu sexistischem Müll? Fatshaming, Sexismus, von Konsensgedanken weit entfernt und sowieso werden nur Männer angesprochen. Welche Frau trinkt auch schon Bier.
Sie ist schließlich das Objekt, dass es zu haben gibt. Oh, pardon, es geht natürlich nur um die Bierflasche, ich nehme das wieder viel zu persönlich.
Das bisschen Sexismus.
Sexismus ist eine theoretische Analysekategorie und hat selbstverständlich nichts mit meinem Leben zu tun.
So fühle ich mich oft dargestellt, wenn ich so eine verdammte Mistwerbung in der Hand halte, mich laut darüber aufregen will und manchmal dann doch schnell verstumme. Die überempfindliche Dicke. Eine Rolle, auf die ich kein Bock habe.
Ich glaub, ich würde mir andere Reaktionen von den Menschen um mich herum wünschen. Alle Seiten herausreißen. Die Hefte wegwerfen. Malen, kleben, basteln. Oder auch nur drüber auskotzen.
Egal was, nur eine Reaktion wäre cool. Eine Reaktion, die mir nicht das Gefühl gibt, selbst das Problem zu sein.

Feminismus macht glücklich

Feminismus macht glücklich.
Gern fände ich mehr Worte dafür, würde es beschreiben können, wie das ist wenn dieses Glücksgefühl kommt, wenn ich auf einer Riot Grrrl Party bin und coole Frauenstimmen durch den Raum wummern an dessen Wänden feministische Transpis hängen.
Wenn Arschlöcher auftauchen, starren, grapschen, kommentieren – und es nicht die Party ruinieren muss, weil wir sie (mal mehr mal weniger einfach) vor die Tür setzen. Und es nicht ich bin, die ihren Raum aufgeben muss, die ihren Atem suchen muss und dann mit einem extrem schlechten Gefühl nach Hause geht. Weil ich nicht zu Boden gucken und Blicken ausweichen muss und nichts akzeptieren muss, was mir wehtut, mich schlecht fühlen lässt. Klar, dabei geht es um Partys. Erstmal vielleicht nicht das Wichtigste im Leben. Aber mir ist es wichtig. Weil ich Musik liebe. Weil ich gerne tanze. Weil ich gerne mit Freundinnen unterwegs bin. Weil ich mich freue wenn sich auch ander Frauen freuen um wohl fühlen. Wenn ich mich ab und zu traue ein bisschen vorsichtig zu flirten. Oder auch nicht.

Feminismus macht glücklich, weil Empowerment dahintersteht. Empowerment, Solidarität und Parteilichkeit. Natürlich ist nicht alles gut, und manche Diskurse bringen mich auf die Palme. Aber ich lerne Wut durch Feminismus. Mich durch „sei nicht so aggressiv“ nicht zum schweigen bringen zu lassen. Zu lernen, dass mein Körper nicht den Regeln gehorchen muss, die diktiert und aufgezwungen werden, auch wenn es wohl ein langer Prozess ist, dass selbst auch anzunehmen, umzusetzen. Aber dass es die Möglichkeit gibt. Den Support.
Feminismus ist auch viel Arbeit, kämpfen gegen Ekelhaftes, gegen eine absolute dominante Malekultur, gegen herrklären, abschwächen und relativieren, sich Gewaltstrukturen bewusst zu machen, anzugreifen. Und dann, wenn ich erschöpft bin von der Arbeit und von dem Alltag außerhalb einer pinken Blase, wenn ich dann abends auf ein Konzert, auf eine Party gehen kann und der Bass wummert in feministischer Stimmung – ja dann überfällt mich manchmal so ein Wohlbefinden und ich denk dann nur: Feminismus macht glücklich.

„Ich ess halt gerne“

Zum Teufel mit: „Ich ess halt gerne“. Weil ich so dick bin muss ich irgendwas dazu sagen wenn ich esse. Oder auch einfach warum ich bin wie ich bin. Einfach so. Erklären müssen. Und eben besonders wenn ich etwas esse. Ich könnte sagen: Ich versuchs gerade eh mit ner Diät. Lüge. Ich könnte sagen: Ich mag mich so.Lüge. Ich könnte sagen „Ich ess halt gerne“. Lüge.
Ich hasse essen. Ich habe nichts gegen ein leckeres Essen beim Weggehen und ich liebe es aufwendig zu kochen. Aber dabei geht es nicht ums Essen. Da ist doch selbst der Wein wichtiger. Hauptsache die Menschen stimmen. Ja, dann kann selbst essen nett sein.
Ich hasse essen.
Ich hasse es, essen zu müssen. Ich würde am liebsten gar nicht mehr essen, nichts. Auf keinen Fall normale Nahrung. Abbeißen, kauen, schlucken.Abbeißen ist grauenvoll. Kleine Bissen gehen. Süßigkeiten. Knabberzeug.
HAHA, da haben wir den Fehler. Die Dicke isst nur ungesunden Scheiß!
Ich könnts mögen. Auch wenn es keinen Unterschied macht ob ich jetzt sage: Ich mags halt oder ob ich sage, dass ich es abgrundtief hasse. Fest stehen bleibt der Vorwurf: Die Dicke isst nur ungesunden Scheiß.
Bingo.

Oft bringe ich keinen Bissen runter.
Ich hörs schon.
Wie kannst du denn so fett sein wenn du essen so hasst? Wenn deine Kehle ach so zugeschnürrt ist?
Ich würde lieber zuschlagen als antworten. Schlimmer noch ist, dass es kaum Menschen aussprechen. So kann ich wohl auch schlecht antworten. Es traut sich keine_r zu fragen. Aber denken tun es viele. Irritiert sind sie, wenn ich sage dass ich oft nichts essen kann. Dass ich Essen vergesse wenn ich Stress habe. Dass es mich anekelt und ich oft nur esse, weil ich nicht darauf achte sondern es einfach hinunterschlinge.
Wäre es dann nicht besser weniger zu essen, wenn ich es doch eh will, ich könnte dann doch einfach mal eine Weile nichts mehr Essen, bis ich weniger fett bin.
Yeah, guter Plan. Eigentlich dachte ich, ich lass das mit der Selbstzerstörung mal.
Ich übertreibe? Bin wieder übermäßig sarkastisch, nicht lustig und auch nicht schön zu lesen?
Kann schon sein.
Mir ist auch nicht nach Spaß.
Mein Bauch grummelt. Zieht sich zusammen. Kommuniziert. Ich versuche zu übersetzen, verstehe die Sprache nicht. Wie immer. Ich versuche den Kontext zu betrachten. Versuche abzuleiten, was diesmal Thema ist. Zu wenig. Diesmal war es wieder zu wenig. Nur drei Schnitten und ein kleiner Teller Nudeln. Eine Birne. Ja, zu wenig.
Nicht-Handeln ist die Aktion der Wahl.
Ist doch eh besser so, was?
Bitterkeit, ein viel zu vertrautes Gefühl.
Wann habe ich das eigentlich alles geschluckt?
Langsam werde ich wütend.

Nachtwunden

Cilia liegt einfach da im Bett. Starrt aus dem Fenster. Drückt zum Siebten Mal den Alarm weg. Das Handy in der Hand, den Finger auf der Taste. Die meiste Zeit liegt sie nur da, starrt aus dem Fenster. Manchmal schreckt das Klingeln sie aus ihre Lethargie. Dann kriecht sie weiter unter die Decke, verschwinden zwischen ihren Kopfkissen. Manchmal zieht sie mit dem Arm das Kissen runter, aufs Ohr, aufs Gesicht. Und einem Impuls nachgebend drückt sie kräftiger zu, sodass die Luft knapp wird.
Passive Suizidalität.
Wortspielerei beim Aufwachen.
In der Leere verlieren, damit die Träume fort bleiben.
Cilia hat wieder schlecht geträumt. Kein Schreitraum, bei dem man aufwacht weil man zu sterben droht. Einer der zehrenden Art, keine Ausbruch, keine Ende, keine Katharsis. Nur das Gefühl von Angst und Ohnmacht.
Bruchstücke eine zerstörten Welt, die sie nun mühsam einsamen und wieder zusammen setzen muss. Die Puzzelteile haben ganz unterschiedliche Farben und Formen. So wie Gewalt eben verschiedene Wunden schlägt. Brüche, Schürfwunden, Schnittverletzungen.
Erfahrungen, die nicht ins Leben integrierbar sind, weil sie keinen Sinn ergeben, weil es Momente sind, in denen das Subjektsein, eine eigenständige, fühlende Person zu sein, in Frage gestellt wird.
Cilia starrt wieder nach draußen, verliert sich mit ihrem Blick in der Leere. Sie fühlt den Schmerz nicht mehr. Es ist nicht ihr Schmerz.