Ein Text über #Opfer, #Erlebende, Betroffenheitsargumente und Debatten über Vergewaltigung.
Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal hat ein Buch geschrieben. „Vergewaltigung. Kulturgeschichte eines Verbrechens“. Es war das erste Buch seit langem, dass mich so richtig in Rage gebracht hat. Manchmal war ich so wütend, dass ich nicht weiterlesen wollte. An anderen Stellen hatte ich nicht genug Zettel zum markieren parat, weil selten eine so genaue, treffende Worte findet. Unter Freundinnen sprachen wir eine zeitlang immer wieder über „das Buch“. Wir wüteten und feierten, etwas, was lange kein Buch geschafft hat: So sehr zum Thema zu werden.
Jetzt hat Sanyal mit Marie Albrecht in einem Artikel in der taz vorgeschlagen, den Begriff den Opfers durch den Begriff „Erlebende“ zu ergänzen als Option für diejenigen, die vergewaltigt wurden und nicht „Opfer“ genannt werden möchten. Seit dem wird sie von einem Shitstorm überzogen, mit Vergewaltigung bedroht und ihre Adresse im Internet veröffentlicht.
Vergewaltigung, das Andere
Auf der Mädchenmannschaft gab es einen Artikel, in dem Hannah C. sich für die Perspektive Sanyals bedankte:
„Bis ich 21 Jahre alt war, war eine Vergewaltigung etwas, das ich in mein Leben zu integrieren hatte, wie ich heute schlechtes Wetter, unpünktliche Busse und Avocados, die sich als faul entpuppen, in den Lauf der Dinge integrieren muss.
Solche Dinge geschehen. Man muss damit umgehen.
Das ist eine Realität, die allein ich in ihren Qualitäten und Wirkungen auf mich zu bewerten habe, denn ich habe sie gelebt und ich lebe mit ihr bis heute.“ (Hannah C.)
Das bedeutet nicht, Vergewaltigung zu relativieren. Das heißt auch nicht, dass sie nicht als Gewalttat einsortiert werden darf. Muss sie. Vergewaltigung ist eine Gewaltat. Aber allzuoft in dieser Gesellschaft, auch in feministischen Kreisen, dreht sich alles um die Folgen, um die Betroffenheit, um das Leiden – auch hinter dieser Betrachtungsweise verschwindet das, worum es eigentlich geht: Eine Tat, wo jemand etwas tut. Immer wieder habe ich darauf hingewiesen, wie sehr unser Blick auf sexualisierte Gewalt von Täterblicken geprägt ist. Der Begriff der Erlebenden mag nicht der perfekte Begriff sein, aber er versucht zu durchbrechen, dass Vergewaltigung im luftleeren Raum passiert. Es gibt nicht immer ein tolles Vorher und ein schreckliches Nachher. So einfach ist das Leben nicht. Manchmal mag es der Keil sein der sich ins Leben reinschlägt, manchmal ist es wie das Brummen eines zu lauten Kühlschranks – irgendwann gewöhnt man sich dran.
Der Gewöhnungseffekt an Gewalt ist normal, so normal wie der sexistische Alltag ist. Das heißt nicht, den sexistischen Alltag und die Gewalt einfach hinzunehmen, im Gegenteil. Aber wenn wir nicht die Alltäglichkeit von sexualisierter Gewalt sehen, wird auch die Anerkennung schwierig, selbst Gewalt erlebt zu haben. Was, wenn es nicht der Keil war? Das Leben danach nicht völlig zerstört ist? Der Hass auf den Täter nicht möglich ist weil es doch ein guter Freund war, ist? Es gibt so viele Zuschreibungen, was Vergewaltigung ist, was sie verursachen würde. In dem aber denjenigen, welche vergewaltigt werden, so viele Eigenschaften zugeschrieben werden geraten – mal wieder – die Täter aus dem Blick. Sanyal schreibt:
„Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass Vergewaltigung das gesellschaftlich Andere bleibt, das Fremde und inhärente Böse. Das Problem mit dieser Drinnen/Draußen-Politik ist, dass sich darin niemand als Täter identifizierend wird, wenn es heißt: Vergewaltiger sind nicht wie wir. Oder anders ausgedrückt: Vergewaltiger sind nicht wir.“ (Sanyal, 2016)
Vergewaltigung ist nicht das pure Böse. Vergewaltigung ist nicht das Schlimmste was einer passieren kann. Vergewaltigung ist brutal und ein vergeschlechtliches Verbrechen. Vergewaltigung passiert nicht woanders, sehr oft nicht plötzlich, und die Umgangsstrategien sind sehr verschieden. Die Täter sind oft nicht irgendwer, so sehr die Gesellschaft das auch versucht auszulagern.
All das macht es schwer, eigene Gewalterfahrungen greifen zu können. Zu verstehen, dass das, was da passiert ist, Gewalt war. Ein gesellschaftlich dermaßen aufgeladener Begriff wie „Opfer“ kann nicht der einzige Begriff sein. Auch wenn Opfer und Täter als Dualismus gedacht werden: Der Opferbegriff hat in den letzten Jahrzehnten nicht dazu geführt, dass Täterblicke hinterfragt werden, Täter nicht das anonyme Fremde bleiben sondern selbst sichtbar gemacht werden. Nicht weil sie selbst arme Opfer sind, sondern um deutlich zu machen, das Täter einen Namen haben. Wie Virginie Despentes über die Männer schrieb, die sie vergewaltigten:
„Ich tippe, dass sich seither keiner der Typen jemals selbst für einen Vergewaltiger gehalten hat. […] Der Beweis: Wenn uns wirklich daran gelegen gewesen wäre, nicht vergewaltigt zu werden, dann wären wir lieber gestorben oder es wäre uns gelungen, sie zu töten.“ (Despentes, 2009)
Der Opferbegriff fasst die reine Unschuld – und wirklich unschuldig kann in unserer Gesellschaft nur ein totes Opfer sein. Wie soll dadurch ermöglicht werden, Gewalt zu benennen?
Betroffenheit als Argument
Ein offener Brief konservativer Feministinnen greift Sanyal für ihre Position an, ein heroischer Kampf für “die Opfer”. Emma und Co scheinen völlig vergessen zu haben, dass sie doch eigentlich dagegen sind, ständig aufeinander herum zu hacken. (Emma, irgendwann vor kurzem) Unbeabsichtigt, wenn auch nicht ganz zufällig, löst das einen rassistischen, frauenfeindlichen und gewalttätigen Shitstorm gegen Sanyal aus, von AFDler_innen, Nazis und Rechten. Das Unbeabsichtigte wird deutlich durch einen Text der “Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt”, indem die Vergewaltigungsandrohungen gegen Sanyal scharf kritisiert wird und zur Solidarität aufgefordert wird. Nicht ganz zufällig daher, dass in der Emma viele Rechte Positionen finden, die sie selbst vertreten – egal ob der Emma das nun gefällt oder nicht. Einfach Opferbilder, die fremde Bedrohung, Sexarbeiter_innenfeindlichkeit, der Schutz der deutschen Frau – das eint, ob gewollt oder nicht. Von Seiten der Rechten schallt es „Aber die armen Betroffenen!“ „Die echten Opfer!“und von feministischer Seite: „Die Betroffenen sagen!“, „Ich bin betroffen, ich sage!“, „Ich bin voll betroffen, du darfst dich nicht gegen meine Angriffe wehren.“
Wenn eine_r genau hinhören würde, wäre nämlich zu hören, wie vielfältig die Stimmen dieser „Betroffenen“ sind. Die einen finden den Begriff Opfer super, weil er deutlich macht, dass eine selbst nicht die Schuld ist. Andere mögen Betroffene lieber, das scheint neutraler, andere finden das betroffend wie betröpelt klingt. Überlebende sagen die einen, andere können auch damit nichts anfangen oder finden den Begriff im deutschen Kontext schwierig. Natürlich können sich jetzt alle hinstellen und sagen: Ich habe Recht, ich bin Betroffen. Das führt dann bis zur gegenseitigen Infragestellung, wie echt die Betroffenheit denn ist sowie zu Hierachisierung von Erfahrungen . Und es zwingt alle dazu, ihre eigene Geschichten zu outen, ob sie wollen oder nicht, denn die eigene Betroffenheit ist das wichtigste Argument geworden. Betroffenheit funkioniert schon lange als Argument. Ich bin betroffen, daher ist das so und so. Das Betroffenheit kein Argument in sich ist, sondern eine Perspektive, aus der heraus Argumente gebildet und in Diskussionen eingebracht werden, gerät dabei völlig in den Hintergrund.
Es reicht nicht aus zu sagen: Jede definiert selbst. Wir brauchen solidarische Unterstützung, um uns beim definieren zu helfen. Das ist nichts, was in dieser Gesellschaft von Frauen und nichtbinäre Personen (beim Thema sexualisierte Gewalt erfahren haben auch nicht von Männern) gelernt wird. Und um die Worte zu finden, braucht es ganz viele Ansätze und Begriffe. Es braucht eine politische Diskussion um die Begriffe, und nicht nur um Begriffe, sondern um Umgangsstrategien, gesellschaftliche Einordnung von Gewalt und um materielle Ressourcen zum Umgang mit Gewalt. So ist Unterstützung heutzutage oft an eine psychiatrische Diagnose wie „Posttraumatische Belastungsstörung“ gekoppelt, anstatt an die gesellschaftliche Notwendigkeit des Umgangs mit Gewaltfolgen. Wir brauchen solidarische Strategien. Solidarisches Definieren. Und eine Kultur des Zuhörens, die ermöglicht gemeinsam neue Strategien zu entwickeln und nicht bei der eigenen oder bekannten Betroffenheit stehen zu bleiben. Der Status quo kann und muss sich ändern. Mit der Ausspielung von Erfahrungen gegeneinander geraten die Täter und ihr tun auch nicht mehr in den Fokus.
Betroffenheit schützt nicht davor scheiße zu sein. Betroffenheit bedeutet nicht automatisch Recht zu haben. Leid und Schmerz ist keine Rechtfertigung dafür, anderen weh zu tun. Mithu Sanyal mit Vergewaltigung zu bedrohen bzw in derselben Attacke mitzuschwimmen wie Menschen die das tun, bringt unsere Debatte kein Stück weiter sondern ist Teil der gesellschaftlichen Brutalität gegenüber Feministinnen. Solidarische Kritik und das Weiterbringen von Debatten geht anders. Solidarität mit Mithu Sanyal! #teamsanyal
Nachtrag: Bei der Textversion von vor 6 Stunden habe ich unbeabsichtigt einen direkten Vergleich zwischen Störenfridas, Emma, Nazis und AFD gezogen. So sehr ich auch Störenfridas und die Emma für ihre Politik und Positionen ablehne, der Nazivergleich war nicht beabsichtigt und sollte eine Aufzählung von unterschiedlichen Punkten sein, ich habe das im Text nun klarer formuliert.
Nachtrag zwei: Der Artikel zum Thema “Erlebende sexualisierter Gewalt” hatte zwei Autorinnen, von denen eine völlig ignoriert wird, Marie Albrecht. Danke für diese Klarstellung.
Ja, aber es geht halt auch um die Banalisierung von Vergewaltigung und Sexismus. Erlebende tönt halt einfach schrecklich! (Erlebnispark und so!) Von dieser Banalisierung haben wir weiss Gott genug. Vor allem Gewalt an Frauen wird normalisiert und banalisiert….. alles nicht so schlimm! Vielleicht hat sie es sich ja auch nur eingebildet…. So geht’s eben auch nicht. Und NEIN, Mithu Sanyal wurde weder von Störenfriedes noch von Emma mit Vergewaltigungsdrohungen bedroht. Das waren Männer. (Halt wieder einmal eine Berichtigung! ) Bitte nicht mit Begriffen die eh schon prekäre Situation noch verschlimmbessern. Wie bei der Prostitution dient dieser Begriffskrieg einzig und allein der Verschleierung und den Tätern. Und: Männer wissen, was sie mit Vergewaltigungen anrichten, sonst wäre es nicht eine weit verbreitete Kriegswaffe. Dass sie sich selbst nie als Vergewaltiger einstufen macht ja die Sache nicht besser., sondern trägt zur Banalisierung bei.
Ich habe nicht gesagt dass ich ein Fan vom Begriff “Erlebende” bin. Ich finde die Debatte darum aber gut und bin definitiv gegen den Opferbegriff. Ich finde Sanyals Buch eine Bereicherung, weil es mich selbst und meine Politiken hinterfragt auf eine Art, die eben nicht nicht aus einer rechten Ecke kommt. Es ist sinnvoll, die eigenen Politikansätze immer wieder kritisch zu prüfen, so unbequem das auch ist. Für mich hängt sich daran auch mehr auf als nur Begriffe: Pathologisierungen sind ein Teil von diesen Opferbildern. Es geht um die Einordnung von Gewalt als Gewalt, das ist keine Banalisierung sondern eine Ausweitung des Blickwinkels.
Kannst du die Behauptung belegen: “Auf Twitter und in Kommentarspalten lassen sich AFD, Nazis, Emma und Störenfrida freudig vereint an Mithu Sanyal aus, bedrohen sie…”
ICH und viele andere Unterzeichnerinnen des Offenen Briefes waren zur Stelle als Rechte anfingen Sanyal zu bedrohen, und das unter einem Thread in dem sie UNS, Vergewaltigungsopfern und ihren Unterstützerinnen mit rechtlichen Schritten gedroht hat.
Hier findest du nochmal eine gute Zusammenfassung wie sich alles abgetragen hat:
http://ifgbsg.org/nicht-nur-bei-denen-die-bequem-sind-betroffenensolidaritaet/
Ich fordere dich hiermit offiziell auf, diese Verleumdung zurückzunehmen, öffentlich richtig zu stellen oder zu belegen.
Ich kann mir vorstellen, dass du nachfühlen kannst was diese Unterstellungen mit Unterzeichnerinnen machen, die selbst Opfer von Gewalt sind und erneut viktimisiert werden, indem man sie für Dinge verantwortlich macht, die sie schlicht nicht zu verantworten haben.
Ich habe im Text genauer differenziert und den unbeabsichtigten Nazivergleich rausgenommen. Das sollte nicht so da stehen.
Das ändert nichts an meiner grundlegenden Kritik an der Politik von Störenfridas und Emma, aber die Kritik zu der Aufzählung in dieser Form ist völlig berechtigt.
this: “Das Betroffenheit kein Argument in sich ist, sondern eine Perspektive, aus der heraus Argumente gebildet und in Diskussionen eingebracht werden, gerät dabei völlig in den Hintergrund.”
<3
Danke für den Text 🙂
Kritik an einer weltfremden und antifeministischen Meinung ist keine Gewalt. Wenn die Kritik von Frauen kommt, die sich durch diese Meinung verletzt und in ihrer Situation erneut unsichtbar gemacht fühlen, dann sollte man diese ernst nehmen. Mithu Sanyal behauptet, sie wolle den Opfern sexualisierter Gewalt die Deutungshoheit über ihre Geschichte geben. Dann beschuldigt sie diejenigen, die diese Deutungshoheit für sich einfordern, sie anzugreifen und gegen sie zu Hetzen.
Vergewaltigung ist ein Verbrechen gegen die körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde. Es wird von Tätern an Opfern begangen. Jede Verdrehung, Verniedlichung und Relativierung dieser, auch juristischen, Begriffe macht die Akzeptanz des Verbrechens wahrscheinlicher. Ja, es gibt Frauen, die sich nicht als Opfer sehen. Sollen sie. Da ist ihr Recht. Wenn aber jemand neue, harmlose Begriffe sucht, und diese zur Aufnahme in den Duden, der auch heute noch ein Standard der deutschen Sprache ist, vorschlägt, dann hat das nichts mit den Rechten der Opfer zu tun. Nur mit der Anschmeichlung ans Patriarchat.
Es ist bezeichnend, wie die FunFeministinnen sich, ohne den wirklichen Ablauf zu kennen oder zu berücksichtigen, mit Gusto auf die unbequemen Altfeministinnen stürzen. Dass hier ganz andere Kräfte am Werk sind, dass die rechten Männer feministische Seiten beobachten um auf unliebsame Entwicklungen auf die aktuelle Weise reagieren zu können, wen interessiert das schon? Jetzt kann man es den TERFs und Frauen-bevorzugerinnen mal richtig zeigen!
Im obrigen Kommentar hast du ja sehr richtig geschrieben um was es wirklich geht: Die Politik, für die EMMA und die Störenfriedas stehen. Das finde ich in Zeiten wie diesen, mit einem gegantischen Backlash, der keine Unterschiede macht, sehr bedenklich. Aber was weiß ich schon, ich bini ja nur eine scheiß Betroffene.
Deine Betroffenheit heißt halt nicht, dass ich deine Meinung teilen muss. Ich bin garantiert keine Funfeministin und seit vielen Jahren aktiv auf der Straße und in Veranstaltungen und und und unterwegs gegen sexualisierte Gewalt, halte die klassischen Themen wie Gewalt gegen Frauen ™ und den Paragraph 218 nach wie vor für wichtige Themen. Ich bin garantiert kein Fan von all dem was sogenannte “junge Feministinnen” tun. In dem Punkt von Betroffenheit als Argument sind leider sowohl TERFs als auch Queerfeminist_innen schnell dabei. Ich habe nur halt festgestellt, dass ich dabei nicht bereit bin Opferbilder, Rassismus oder Transfeindlichkeit zu reproduzieren. Das macht feministische Politik nicht radikal, das macht sie scheiße.
Ich habe nicht geschrieben, dass ich den Begriff “Erlebende sexualisierter Gewalt” gut finde. Ich finde den auch zu schwammig und unkonkret. Ich plädiere ja sehr gegen Triggerwarnungen, gegen vorsichtige Sprache, gegen drumherumtanzen. Ich finde aber die Debatte hat eine Berechtigung, weil der Opferbegriff zugunsten des berechtigten Bedürfnis die Schuldfrage klar zu klären, gleichzeitig eine vollkommene Handlungsunfähigkeit für die Betroffenen darstellt. Erst wenn wir soweit sind, zu sehen, dass sich der eigenen Handlungsfähigkeit bewusst zu sein ohne dabei die Schuld von den Tätern wegzunehmen, können wir weiter kommen.
Wie nämlich aufgefallen sein sollte, habe ich, obwohl ich verschiedene Begriffe für Betroffene benutze, nie aufgehört von Tätern zu sprechen. Das ist nämlich auch ohne die Idee vom reinen, unschuldigen Opfer möglich – Täter zu benennen.
Danke für die erhellenden Worte. Vor allem deine Kommentare zu Betroffenheit haben mir nochmal Punkte klar gemacht.
Einen schönen Sonntag noch
Danke für diese differenzierte Darstellung!
Und als “Betroffene” gebe ich auch noch meinen Senf dazu: Ich bin kein Opfer. Und ich gehe selten mit meiner Geschichte hausieren, aus genau dem Grund, der im Stein des Anstoßes genannt wurde: Sobald Freunde – alte, neue, gute oder auch nur flüchtige – von meiner Geschichte erfahren, relativiert sich ALLES, was ich tue und sage, in ihrem Kopf. Die ist Feministin? Bestimmt wegen der Sache mit dem Babysitter. Sie will mit zur Burlesqueshow/Massage/Freibadparty gehen? Nicht, dass sie das nachher noch triggert! Sie mag keinen Karneval? Bestimmt eine reine Panik- und Vermeidungsreaktion, weil ja vor dreißig Jahren, … – an dieser Sache wäre beinahe eine Freundschaft gescheitert, die mehr als zehn Jahre überlebt hat.
An sich finde ich persönlich die Diskussion darüber, wie sich die Betroffenen selbst wahrnehmen, gut und wichtig. Wer sind wir, anderen Leuten vorzuschreiben, wie sie mit ihrer eigenen Vergangenheit umgehen? Höchstens hätte ich mir gewünscht, dass die alternativen Begriffsvorschläge von Leuten mit etwas mehr sprachlichem Feingefühl aufgestellt worden wären, denn “Erlebende” klebt so stark am Präsenz.
Danke für deine Worte. Ich finde “Erlebende” auch definitiv nicht das, wo die Debatte stehen bleiben sollte. “Erfahrung” finde ich zB schon viel Besser, weil es mehr auf die Vergangenheit bezogen ist, und es klar ist, das Erfahrungen sehr unterschiedlich sind – das ist auch weniger beschönigend.
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Eine Anmerkung: Den Text hat nicht Sanyal geschrieben. Den Text haben Mithu Sanyal und Marie Albrecht geschrieben. Letztere hat auch schon auf dem Heimweg-Blog der taz zu Erfahrungen sexualisierter Gewalt geschrieben. Trotzdem richtet sich die Kritik nur gegen Sanyal. Marie Albrecht wird nicht wahrgenommen, ihre Position in jeder Hinsicht ignoriert.
[Im Kasten „Die Autorinnen“ werden beide explizit erwähnt und vorgestellt. Oben rechts neben dem Artikel steht unter Sanyals Name „AutorIn“ – was sich bei der taz aber nicht auf den jeweiligen Text bezieht. Die Redakteur_innen und einige Autor_innen haben unter ihrem Namen etwas stehen, andere Autor_innen und Kolumnist_innen dagegen nicht.]
Vielen Dank für diesen Hinweis. Ich werde das auch im Text verändern, denn da eine Stimme so zu übergehen ist nicht cool.
Ich habe den Text mit der Opfer/ erlebenden Thematik gelesen und empfinde ihn eben nicht so als würde er den Begriff entschärfen wollen, eher so als das von der Opferrolle ein sprachlicher Weg Weg gefunden werden soll.
In vielen Punkten Stimme ich diesem Beitrag zu. Ich wünsche mir, das sexuelle Gewalt anders behandelt wird und die Täter, und nicht die Leidtragenden am Ende belastet werden
Hallo, ich hab leider nicht verstanden, wie du das meinst / was du damit meinst:
„und wirklich unschuldig kann in unserer Gesellschaft nur ein totes Opfer sein.“
Könntest du das nochmal ausführen? Danke dir!
Hej yenna. In dem Satz geht es mir darum, auf Vergewaltigungsmythen zu verweisen, in denen die Idee verhaftet ist, dass Frauen ™ selbst Schuld daran sind, wenn sie vergewaltigt werden. Die Gesellschaftliche, uralte Vorstellung dahinter ist, das wenn sie es wirklich nicht gewollt hätte, hätte sie sich bis zum Tode gewehrt. Das schlägt sich ja auch in der Rechtssprechung nieder. Solange eine lebendig bleibt, bleiben auch immer die Fragen, ob sie nicht doch hätte was anderes tun können. Wird das jetzt deutlicher?
jap, versteh ich jetzt, vielen Dank für deine Antwort!
mir wurde vorher nicht so richtig klar, dass du da von gesellschaftlichen Vorstellungen sprichst; aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass das deine worte sind 😉
Ne, nicht so ganz. 😀