Gewalt benennen oder Triggerwarnungen die Zweite

Ich habe lange nichts geschrieben. Das gefällt mir nicht. Ich habe immer Angst, wenn ich nicht Schreibe. Angst, wieder meine Sprache zu verlieren. Angst, dass es so ist wie in dieser langen Zeit bis zum letzten Sommer, wo ich mich so wortlos gefühlt habe. Sprechen ist so wichtig für mich. Das ist wie atmen. Ohne drohe ich zu ersticken. Tausend Themen schwirr(t)en mir im Kopf rum und dann schreibe ausgerechnet einen Text über Triggerwarnungen, obwohl ich doch über Homophobie, Beziehung_en und ganz viel mehr schreiben wollte. Beim letzten Mal schrieb ich dass ich das akzeptieren kann, wenn Personen Triggerwarnungen setzen, aber nicht selbst tun werde. Inzwischen sehe ich das ein wenig anders. Ich merke dass ich jedesmal sehr wütend werde, wenn ich Triggerwarnungen und „Splashing“ (also Sternchen statt Vokale) sehe. Und ich ich habe mich gefragt warum. Und warum jetzt. Mir fällt das doch schon lange immer wieder auf bei Texten. Und macht mich wütend. Beim Ansprechen habe ich das Gefühl es ist so wie: Oh interessante Perspektive – aber wir machen doch sicherheitshalber lieber weiter wie bisher. Aber ich denke meistens: Ach, was solls. Aber das Wütendgefühl bleibt. Und ich glaube das kam gerade jetzt in meinen Kopf, weil ich diese Angst bekommen habe, wieder stumm sein zu müssen.
Ich weiß ich rede mit Menschen und das ist mir auch super super wichtig und tausend <3 und props an die Frauen_ die so viel mit mir reden, aber Schreiben ist für mich einfach über_lebensnotwendig. Lesen wie andere sich verworten hilft mir auch viel. Dazu komme ich auch kaum, weswegen mir was fehlt.
Mit Gedichten, Geschichten, Texten – ist es wie mit mancher Musik. Die ich gerade deswegen so gut finde, weil sie mir ein Messer ins Herz sticht, es langsam umdreht und nach dem herausreißen Salz darauf streut. Purer Schmerz. Und dann muss ich manchmal weinen oder mich auf dem Boden krümmen. Warum finde ich das gut? Weil es ehrlich ist. Weil diese Gefühle in mir sind und sie durch die Musik gegriffen werden, nach draußen kommen, greifbar werden. Und ich weiß, wie es in mir aussieht, was da für ein Schmerz ist.
Worte können das auch, diesen Schmerz auflösen. Sie lösen gerade dann besonders Schmerzen aus, wenn sie zutreffen. Wenn sie spitz sind und der Finger auf die Wunde gelegt wird. Wenn ich mich wiederfinde, wenn mein Schmerz da plötzlich in Worten ist. Meine Erfahrungen oder Gefühle. Und ja dann zerreißt eine manchmal die Grausamkeit die Worte dann haben können, unerbittlich können sie die Wahrheit aussprechen, die wird nicht bereit sind zu sehen, weil wir das nicht immer ertragen können. Aber wenn Worte Gewalt beschreiben, Gewalt wortbar machen, dann tut es weh, weil sie treffen. Und nur diese Worte, die mein Inneres nach außen kehren und mich bloß fühlen lassen, die machen das ich heule und vielleicht auch schreie – das sind die Worte um die es geht. Und ich will diese Worte nicht in Sternchen verzerrt sehen als ob Personen das nicht aushalten könnten, als ob es irgendeine Gewalt leichter ertragbar machen würde wenn die Worte, die greifbar machen könnten, dir nicht erlaubt sind. Oder Barriere davor geschaltet sind. Ja, eine Triggerwarnung kann eine Barriere sein. Weil ich denke eben nicht immer vorher das jeder Text was mit mir machen könnte, selbst wenn er mich erinnert. Das passiert auch nicht. Aber Triggerwarnungen stellen sich dazwischen, drängen sich rein zwischen mich und den Text, der Gewalt verwortet.
Der Awareness wegen.
Wer wird eigentlich gewarnt? Wer muss „auf sich aufpassen“? Warum sind es wieder Betroffene (von Diskriminierung und Gewalt) die angesprochen werden, sie sollen doch bitte auf sich aufpassen wenn sie Texte lesen? Daran ist doch so viel problematisch. Es ist eine Individualisierung. Jede soll selbst aufpassen wie es ihr mit Gewalterfahrungen und den Erinnerungen daran geht. Ich muss nicht eingepackt werden, damit mich bloß von außen kein Reiz erreicht, der mich erinnern könnte, an Momente in denen einer weh getan wurde. Oder ich einfach das Grausame fühle, was andere Frauen_ erleben (mussten). Und wer wird wirklich geschützt? Sind es die Betroffenen oder gerade die Allies, die Freund_innen, die Verwortungen nicht ertragen, weil es zu viel, zu explizit ist? Weil zu viel Gewalt sichtbar ist und wir alle gerne hätten das unsere kleine Blase nicht ständig voll von dieser Gewalt ist?
Texte sind kein Schutzraum. Das Internet ist kein Schutzraum. Nichts davon kann Sicherheit bieten, Awareness schaffen. Stattdessen könnte eine_ darauf achten, keine gewaltvollen Worte zu verwenden. Rassistische Sprache zu erkennen und zu ändern. Abelistische Redewendungen hinterfragen und wegwerfen. Das sollten wir tun mit den Worten. Damit es keine Worte sind, die Waffen sind und frische Wunden schlagen. Immer mehr. Davor könnt ihr gerne warnen. Vor Texten, die eine_ direkt erneuter Gewalt aussetzen, durch victim-blaiming, rassistisch Vokabular oder direkte Beleidigungen. Geht auch in den Buchladen und klebt am liebsten auf Freudbücher oder Sarrazin und andere Kackscheiße einen Aufkleber: Sexistische/Rassistische Kackscheiße. Das benennt nämlich, das Gewalt aufgeübt wird.
Aber ich will keine Worte vermeiden, die Gewalt wortbar machen. Und ich will auch nicht davor gewarnt werden wenn andere Gewalt in Worte fassen!
Wenn ich keine Worte habe, muss ich verstummen.
Warum sollte ich gewarnt werden, wenn ein Text die Wirklichkeit beschreibt? Weil es weh tut? Ist es ein Grund, dass es weh tut? Und wenn eine_ jetzt denkt, hm, aber was ist mit Triggern die Flashbacks auslösen… dann denke ich: Macht eure Hausaufgaben verdammt! Trigger können alles sein. Ein Geräusch in der Wohnung über einer, ein Blick auf der Straße, eine Farbe, ein innerer Gedanke – das alles. Warum sollte vor detailierten Beschreibungen von Gewaltsituationen eine Warnung stehen? Diese Gewalt wird nur dann reproduziert, wenn in sich gewaltvolle Wörter, z.B. sexisitische oder rassistische Wörter verwendet werden. Es muss nicht gewarnt werden vor einem Text, der Menschen ermöglicht, Gewalterfahrungen in Worte zu fassen. Auch Details besprechen dürfen. Kann das nicht sein, dass das für einige wichtig ist?
Was für eine seltsame Idee, der Gedanke mit der Warnung. Wovor soll gewarnt werden?? Dass es einer schlecht gehen könnte nach dem Lesen? Ja, das kann sein. Vielen geht es oft scheiße weil wir in einer scheiß patriarchalen, rassistischen, homophoben und abelistischen Gesellschaft leben. Weil Gewalt verdammter Alltag ist. Und dann werde ich gewarnt vor einem Text der das aufzeigt? Der davor nicht zurückschreckt, klar zu benennen? Was ist das für ein Schutz?
Und was macht das mit einer, was macht das mit mir? Ständig gewarnt zu werden bleibt nicht ohne Folgen. Wenn ich immer wieder Warnungen lese, konditioniert das. Das konditioniert, dass bestimmte Texte gefährlich sind. Darum heißt es WARNUNG. Das könnte was mit dir machen.
Manchmal wird das „Trigger“ durch „Content/Inhalt“ ersetzt. Ein kleiner Fortschritt, vielleicht. Weil wenigstens nicht mehr impliziert wird, dass es spezifische Trigger gibt die ganz gefährlich sind und vermieden werden müssen. Und es verhindert, dass das Wort „Trigger“ für ein allgemeines Unwohlsein steht und nicht für das Auslösen von Flashbacks / Erinnerungen an traumatische Erfahrungen.
Aber das Wort Warnung bleibt. (Außer in der Bezeichnung “CN/Contentnote”) Ich bin es Leid ständig gewarnt zu werden. Ich bin es Leid davor gewarnt zu werden, nachts auf die Straße zu gehen, dieses oder jenes nicht zu tun, weil ich a) eine Frau_ bin oder b) von dies und jenem betroffen, weswegen ich dies und jenes vermeiden sollte. Das könnte ja gefährlich für mich sein, buhuhu. Ernsthaft, ich erlebe das als eine unglaubliche Einschränkung meiner Freiheit und vor allem als ein Zurückweisen auf meinen Platz als Frau ™, die immer Opfer ™ ist. Ich will nicht mehr gewarnt werden.
Texte, die Gewalt aufzeigen und sichtbar machen sind nicht gefährlich. Oh, vielleicht sind sie es. Aber gefährlich für diese Gesellschaft und nicht für Betroffene.
Es macht Sinn gewarnt zu werden, wenn ich über einen Boden gehe, der fest aussieht, aber einstürzen könnte. Das kann ich nicht wissen. Aber selbst wenn ein Text unerwartet schreckliche Erinnerungen auslöst, kann ich nicht gewarnt werden. Und es ist vorbei. Wenn Texte Flashbacks auslösen, dann steht das „back“ für die Vergangenheit. Es ist vorbei. Die Gewalt ist nicht mehr aktuell, „nur“ die Erinnerungen, die Folgen die im Kopf, im Gefühl, im Körper eingebrannt sind. Und so ein Text, vor dem dann gewarnt wird, dieser Text könnte einen Raum bieten zu sprechen. Vielleicht dadurch nach vorne schauen zu können. Weil damit Gewalterfahrungen nicht in die Ecke von etwas Unaussprechbaren kommen_bleiben.
Und tut einfach nicht so als ob diese Warnungen etwas sind was schützt. Keine Warnung schützt vor Gewalt. Und tut auch nicht so, als ob diese Warnung etwas sind, was eine ja einfach so mal machen kann weil das ja sich gut macht. Als ob das keine Wirkung hätte. Keine Konsequenzen. Dafür ist Sprache zu mächtig. Sprache schafft Wirklichkeit.
Denkt doch bitte daran, wenn ihr mich das nächste mal wieder davor WARNT einen Text zu lesen. Oder gar die Worte zu zerstückeln, die endlich mal benennbar machen und einer_ vielleicht die Angst vor diesen Worten nehmen könnte. Weil es Empowernd ist, die Angst vor der Benennung von Gewalt zu verlieren. Weil es empowernd ist, nicht ständig darauf zurückgeworfen zu werden, aufpassen zu müssen. Und es problematisch ist, das vor das Aussprechen von Gewalt, was in unserer Gesellschaft eh schon sanktioniert wird, noch eine Barriere mehr geschaltet wird.

Wenn euch dieser Text zu sehr mit scharfer Zunge geschrieben ist, fühlt euch frei, das in den Kommentaren auch zu tun, Kritik zu üben, zurückzuschlagen oder euren Frust ebenfalls raus zu hauen. Kommentare nach dem Motto: “Das ist ja auch alles nicht so schlimm und deswegen brauchts keine Awareness” werden nicht freigeschaltet.

13 Gedanken zu „Gewalt benennen oder Triggerwarnungen die Zweite

  1. bifteki

    Der langsame Mittelsatz einer Tschaikowski-Sinfonie verletzt? Das überrascht mich. Bei so manch einer Chopin-Mazurka könnte ich das verstehen.

    Antworten
      1. bifteki

        Da mu&szlg; ich mir noch einmal das Werk in Ruhe anhören. NB: Den Artikel findet ich nicht polemisch (“mit scharfer Zunge geschrieben”), sondern vernünftig.

        Antworten
  2. Isabell

    Ich finde nicht, dass dein Text mit “scharfer Zunge” geschrieben wurde. Ganz im Gegenteil: feinfühlig hast du geschrieben, auch dadurch, dass sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen in deinem Text berücksichtigt wurden. So etwas finde ich gut.

    Ich persönlich kann mir vorstellen, dass es Menschen zum Beispiel mit Angststörungen gibt, die tatsächlich von Darstellung sexueller Gewalt in Texten getriggert werden, teils sogar massiv. Die sind dann wirklich dankbar dafür, dass sie dank Triggerwarnung vorher die Biege machen können.

    Im Prinzip aber teile ich deine Position! 😀
    Es ist empowernder, über schwierige oder bedrückende Erfahrungen sprechen zu können. Es ist gut, wenn auch die negativen Dinge, und die Dinge die einen zerreißen, mit Worten sozusagen eingefangen werden können. Vielleicht, so sehe ich das, sind auch weniger die manchmal übertriebenen Triggerwarnungen das Problem, und mehr das Denken dahinter. Wenn also aus Angst davor, dass Worte triggern könnten, bestimmte Dinge nicht mehr offen angesprochen werden.

    Dann wird aus dem “Denken an möglichen Triggern” eine Schere im Kopf, oder schlimmer noch: Die namenlose Angst vor den beschissenen Dingen im Leben wird sogar größer, deshalb weil durch die ständigen Triggerwarnungen das Gefühl entsteht, dass über viele Dinge nicht mehr offen gesprochen werden kann. Wenn das Gefühl entsteht, dass bestimmte Dinge unsagbar sind, dann vergrößert das die Angst.

    Ich weiß nicht, ob meine Gedanken nachvollziehbar sind, aber ich hoffe darauf. Vielleicht finde ich ja künftig auch bessere Worte dafür. Um aber bessere Worte zu finden, um meine Gefühle besser verstehen zu können, muss ich mich aber zunächst frei fühlen können, dass ich meine Gefühle und Ansichten frei, wirklich völlig frei äußern kann.

    So in etwa.

    Antworten
  3. Ka.Rarity

    Toller Text!
    Sehr absurd und bedenklich finde ich, wenn vor Musik gewarnt wird, sobald sie lediglich Wörter wie fuck oder shit enthalten, und vor einem “I’m fucking happy” genauso, oder vielleicht eher gewarnt wird als vor einem zum Beispiel gewaltverherrlichem, rassistischem Text ohne diese “expliziten” Worte, und das Texte, die über Gewalterfahrung sprechen eigentlich als genauso “gefährdend” eingestuft werden wie gewaltverherrlichende Texte.
    Vor welchen Inhalten gewarnt wird ist ein somit eher ein Ausdruck diskursiver Machtverhältnisse in einer Gesellschaft, als durchdacht und sinnvoll Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu schaffen.
    Wie krass ist das denn, dass man theoretisch politisch-polemisch-vokabularisch-korrekt beleidigen, verletzen, gewalttätig sein kann, darf? Es sind eben nicht nur die Worte…

    Und wenn ich etwas toll finde, dann will ich sagen können “Scheiße, verdammt fucking amazing!”, und wenn ich wütend bin, will ich fluchen, ohne Sternchen!

    Antworten
    1. Steinmädchen Artikelautorin

      Hey, ja ich glaube diese Unterscheidung fehlt mir auch, bzw dieses auf eine Stufe stellen eines gewaltätigen Textes mit einem der benennt dadurch das vor beiden gewarnt wird, das trifft es echt ganz gut.
      Mit den “nicht nur die Worte” beziehst du dich darauf dass du Sprache generell nicht so wichtig findest oder eher darauf, dass eben diese bestimmten, zb gesplashten Worte, dass es darum nicht geht?

      Antworten
  4. Pingback: “Nicht-konsensualer Sex” | Identitätskritik

  5. Pingback: Geschichten anders erzählen | Identitätskritik

  6. Pingback: triggerwarnungen – sei rücksichtsvoll! ein rant. | Identitätskritik

  7. Pingback: Identitätskritik

  8. Pingback: Täterblicke | Identitätskritik

  9. Jasmin

    Danke für Deinen Text.
    Das hat wirklich eine neue Sichtweise für mich geöffnet. Ich verstehe Deine Argumente und sie ergeben Sinn für mich. Ich finde auch, dass Du Recht hast, wenn Du schreibst, dass es empowernd ist, Ängste zu verlieren und über Einschränkungen hinauszuwachsen. Das sehe ich auch aus der Perspektive einer ehemaligen Trauma-Patientin so und hat mich auch in meiner Therapie-Phase beschäftigt. Aus dieser Perspektive empfand ich es immer als “Zwischenlösung” (für mich selbst, ich weiß nicht, wie das für andere ist) bestimmten Content ausblenden zu können, denn auf Dauer war das nicht möglich.
    Dennoch finde ich den Einwand von Isabell auch wichtig. Ich könnte mir jetzt aus meiner Laien-Perspektive auch vorstellen, dass die explizite Benennung von Gewalt mehr Menschen triggert als bestimmte Worte. Ob daraus natürlich resultiert, ob deswegen eine trigger warnung bei dem einen wichtiger/sinnvoller ist als bei dem anderen ist eine andere Frage.
    Und Du hast natürlich Recht, wenn Du schreibst, dass ein Trigger letzlich in jeder Form auftreten kann. Vielleicht ist eine content note tatsächlich eine sinnvolle Lösung. Für meine eigenen Texte nehme ich das auf jeden Fall so mit.

    Viele Grüße,
    Jasmin

    Antworten
  10. Omphale

    Oh, der Text trifft mich. Eins meiner Kinder wurde im Krankenhaus getötet, das zweite ist unter ungeklärten Umständen im Krankenhaus ums Leben gekommen und ich ringe immer mit meiner Sprache und meiner Erinnerung und schweige und verdrehe die Fakten, verwende Euphemismen, weil ich versuche, es anderen Recht zu machen, die nicht über Tod und tote Kinder und schon gar nicht über Töten reden wollen. Jetzt habe ich das schon wieder rausgekübelt und es hat nichts an der Realität geändert. Ich will die Fakten nicht verdrehen, nicht meine Kinder auch noch totschweigen, weil es keiner hören will.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert