es klingelt der wecker. es ist früh am morgen. ich stehe auf, gehe ins bad. duschen, deo wählen. ich greife nach den sorgfältig am abend zurechtgelegten kleidungsstücken. eine stumpfhose,eine sportshorts, unterwäsche und ein Hemd. weiß mit streifen. langärmlig. ein schwarzes top drüber. elegant-lässig.ich knöpfe die ärmel zu,ziehe sie runter bis zum handgelenk. es passt genau. ich hebe den linken arm testweise in die höhe und entscheide mich für das perlenkettenset. es sind viele einzelne armbänder nebeneinander in unterschiedlicher größe
ich male mich an. dezent,nicht zu sichtbar performativ.
ich blicke mir immer wider prüfend in die augen. mache frühstück,koche tee,mache mir essen für unterwegs. vitamine müssen sein und rohkost. ich bin ganz ruhig und komme mir erwachsen vor. fürsorglich.
es drückt auf meinen kopf,auf meine augen. es ist ja auch wirklich noch früh.
auch die schuhe sind elegant. aus der umsonstecke,größe 42. auf dem weg zum bahnhof merke ich, wie sich meine ferse immer wieder herauslöst.
besorgt blicke ich in den himmel,frage mich,wie warm es wohl heute wird.
im zug blätter ich meine unterlagen durch. versuche mir das notierte einzuprägen. dabei starre ich immer wieder aus dem fenster,suche in der reflexion mich selbst. meine augen sind heute sehr grün,vielleicht wirkt der angedeutete lidschatten. ein wenig rot sind sie. zu wenig schlaf. ich suche was in diesen augen. was,das weiß ich nicht. jemand.
das bild von mir verschwimmt mit der welt hinter dem fenster. die ist durch die bewegung so schwer fest halten.
wie so oft balle ich auf der straße meine fäuste. prüfe,ob sie fest ist. einen moment lang frage ich mich,worauf ich denn wohl so wütend bin. und ob ich irgendwann das nicht mehr so viel tun werde. es ist gewohnheit geworden-ohne dass ich die faust nutze.
der arbeitstag ist lang und anstrengend,aber auch sehr interessant. bildungsarbeit zu diskriminierung. ich lerne viel von den teilnehmer_innen und muss immer noch über viel nachdenken. über privilegien, strategien, erklärungsmodelle, erfahrungen.
ich beobachte die anderen teamer_innen. es ist warm und sie tragen kurzärmlige oberteile. ein merkmal, was meinen blick anzieht. mein prüfender blick die unterarme hinauf. abgeleichend. das alles passiert ganz nebenbei,ich bin gleichzeitig voll aufmerksam und denke mit. ich denke auch darüber nach,warum ich das immer tu,es ist doch irrelevant.
ich bin froh,dass es nicht so heiß ist. sachlich stelle ich erneut den pädagogischen,richtenden rahmen fest. meine arme als symbol von krankheit, störung, gebrochen. instabil. kategorisierbar. dadurch inkompetent, emotional, sensibel. selbstschädigung, mit betonung auf schaden. der interventionsbedarf würde geprüft werden. art und alter der narben sind dazu entscheidend. daran zeigt sich, ob kategorisierende blicke durch sätze ergänzt werden. ich prüfe, ob mein hemd und meine perlen ordentlich sitzen.
irgendwann fällt etwas aus der gruppe mit dem begriff psychologie. ich werde nervös, ziehe den schal um meinen hals enger. frage mich, warum ich mir gerade mehr luft abschnüre, als es diese situation tut. es folgen keine flapsigen pathologisierungen, ich locker den schal wieder. der körperliche schmerz hätte geholfen. ich merke, dass ich ein abgrenzungsproblem habe. es geht mir zu nah, dabei ist das thema doch ein anderes, es gibt keinen raum für pathologisierungskritik, ich muss das aushalten können. professionell bleiben. ich könnte mich anders kleiden, wie sonst auch. den blicken begegnen durch ein beweisen meiner kompetenz, der festigkeit meiner position. dadurch zuschreibungen aushebeln. der pädagogische blick strengt mich an, ich will mir nicht beobachtet vorkommen. ich will mich nicht beweisen müssen.
es ist pause, wir koppeln uns im team rück, tauschen unsere einschätzungen aus, werden uns schnell einig über das weitere vorgehen. die stunden gehen spannend weiter, das feedback ist positiv, gemischt mit berechtigter kritik. wir setzen uns im anschluss nochmal zusammen, reflektieren den tag. ich fühle mich wohler in dem gebäude, finde viele der umhergehenden menschen sympathisch. wir befanden den tag im großen und ganzen als gut verlaufen. ich verabschiede mich, gehe einkaufen und zur bahn. ich habe hunger.
im zug angekommen setze ich mich, krempel meine ärmel hoch und beiße in mein brötchen. ich lausche dabei einer gruppe, die offensichtlich von einer bildungsstreikdemo kommt, es geht um finanzen, exkursionen und professor_innen. der zug fährt los.
ich lehne meinen kopf ans fenster und merke wie müde ich bin. wieder suche ich meinen blick, meine augen. sie sind noch röter geworden, erschöpfter. ich bin aber auch wirklich früh aufgestanden.
eine freundin von mir hat mal gesagt, dass professionalität heißt, die eigene betroffenheit mitzudenken, und das tust du ja. ich hoffe dass der platz das wissen das daraus entsteht zu teilen sich irgendwann findet.