Zum Teufel mit eurem scheiß Sport! D a s Allheilmittel für alles.
Du bist traurig oder unglücklich? – Geh raus, mach Sport.
Du fühlst dich zu dick? -Geh joggen, dann nimmst du auch ab.
Du kannst vor Alpträumen nicht schlafen? -Nach dem Sport schläfst du besser.
Das ist echt absurd, wann und wo ich mir diesen Satz anhören muss. Völlig unabhängig davon ob ich mich tatsächlich nicht bewege oder fünfmal die Woche zum Sport gehe. Irrelevant. Die Frage entsteht dadurch, dass ich wahlweise als „übergewichtig“ oder „fett“ definiert wurde/werde. Selbst als ich ne Mittelohrentzündung hatte, fragte die Ärztin, ob ich mich denn bewegen würde. Großartiger Zusammenhang.
Besonders gelungen fand ich diesen Satz immer von Therapeut_innen. Die haben das auch wirklich alle gesagt. Stellt euch einmal folgende absurde Gesprächsfetzen vor:
„Ich habe ein Problem mit meinem Körper.“
„Gehen Sie doch mal Joggen.“
„Ich hasse meinen Körper.“
„Sie sollten mehr Sport machen.“
„Mir hat ein Typ gesagt mein Outfit wäre zu gewagt.“
„Mit Sport nehmen sie bestimmt ab.“
Da bleibt bei mir nur WUT. Dieses Gefühl, wo vor Wut die Tränen kommen.
Fällt eigentlich nur mir auf wie wenig die Reaktionen mit dem zu tun haben was ich da gesagt habe? Wie wenig die Lösungsvorschläge auf meine Probleme eingehen? Keine einzige Nachfrage, woran das überhaupt liegt, dass ich mich so unwohl in meiner Verpackung fühle. Gleich die Lösung. Und diese Lösung soll, wie am Ende deutlich wird, auch nicht für meine negativen Gefühle da sein, sondern tatsächlich zunächst ganz klar für eins: Abnehmen.
Ich halte das für eine total großartige Idee, diese Botschaft Menschen mitzugeben, die es eh schon geschafft haben, ihrem Körper genau dem Wert selbst beizumessen, den eine patriarchale Gesellschaft ihm zuschreibt. Minderwertiges Objekt.
Den Gedanken, dass ich gerade vielleicht ganz andere Sorgen habe und mich diese Anforderung nur noch mehr daran erinnert, nicht genug zu sein, hässlich / faul / unsportlich / undiszipliniert – eben all das was fette Menschen in unserer Gesellschaft sein sollen – den Gedanken, dass ich ganz andere Sorgen haben könnte, der kommt anscheinend nur mir.
Ich habe es sogar mal versucht. So wie manchmal eben die Verzweiflung so groß ist, dass sich jedes Heilsversprechen irgendwann gut anhört. Einen Sommer lang intensiv. Mehrmals Training, mehrmals Laufen zusätzlich. Nicht, dass es nicht Spaß gemacht hätte. Im Schlamm prügeln ist echt nicht schlecht als Ansatz. Aber es hat kein einziges Problem gelöst. Weder habe ich ein Kilo abgenommen, noch habe ich mich besser gefühlt.
Und irgendwann konnte das, was mir der Sport geboten hat, nicht mehr gegen den Schmerz an, den er verursacht hat. Sportklamotten vermitteln mir das Gefühl nackt zu sein, egal wie weit sie sind. Die Blicke von außen machen es nicht besser. Und es ist ein verdammt scheiß Gefühl, dem verhassten Körper und den Blicken der anderen so sehr ausgeliefert zu sein.
Und wenn ich dann während dieser Zeit zum Arzt gehe und mir den Vorschlag anhören muss ich solle doch mal Sport machen – wegen meinen Problemen – dann will ich nur noch alles kurz und klein schlagen.
Beim lesen ist mir eine ganze menge durch den kopf gegangen, aber ich kann irgendwie nichts richtig schlaues mit direktem zusammenhang formulieren. ich denke daran, dass ich seit Jahren konstant dürr bin, mich dabei mittlerweile wohl fühle, aber leute es ständig ständig ständig thematisieren oder sogar sanktionieren und sobald ich mal ne augenentzündung habe oder meine beine jucken liegts natürlich an meinem “untergewicht.” Und da ist die lösung auch sport, mehr essen und sport, weil man durch sport offenbar sowohl ab- als auch zumimmt. Und ich soll meine Schilddrüsenwerte überprüfen. (was mal nebenbei geschehen ist und die sie sind ordnung). Als ich deinen post gelesen habe musste ich auch an die Serie Huge denken, wo viele der Themen auch vorkommen, habe bisher nur die beiden ersten Folgen gesehen, aber ich kann sie, glaube ich, empfehlen (die auorin jst großartig): http://en.wikipedia.org/wiki/Huge_(TV_series)
Irgendwie kann dich deine Wut verstehen. Es ist wirklich schade, dass es viele Ärzte nicht können.
Mir geht es eben wirklich so, dass Sport mir hilft. Dass ich den Kopf frei kriege und hinterher ganz anders über viele Probleme denke und ich manchmal sogar eine Lösung finde.
Es geht ja auch um die Hormone die dabei entstehen Denn sehr oft hängt die geistige Verfassung ja wirklich von der körperlichen ab.
Es ist nur echt schade, dass es dir nicht geholfen hat, aber dann sag das den Ärzten doch ganz deutlich.
Es soll ja auch keine zusätzliche Anforderung sein, sondern etwas, was du für dich machst. Sport kannst du doch auch zu Hause für dich machen, ohne dass du dich vor jemandem nackt fühlen musst.
Wahrscheinlich denkst du jetzt, dass ich dich genauso wenig verstehe, aber ich würde dir gerne einen Blog ans Herz legen, den ich zu diesem Thema wirklich empfehlenswert finde.
http://prettyandhappy.blogspot.de/2012/08/abnehmen-einfache-tricks_30.html
http://prettyandhappy.blogspot.de/2012/09/5-gute-grunde-um-wieder-seil-zu-springen.html
http://prettyandhappy.blogspot.de/2012/09/abnehmen-tipps-tricks.html
Also ich will nicht abnehmen. Und bestimmt keine Abnehmtipps! Ich will mich besser fühlen mit mir und meinem Körper. Da gibt es keinen zwangsläufigen Zusammenhang, weder zu abnehmen noch zu Sport.
Darum geht es mir.
Omg, ich kenn das Gefühl so gut!! Als ich das letzte mal in der Klinik war, hatte ich folgendes Gespräch mit meiner Bezugspflegerin:
Sie: “Gehen Sie doch laufen; das macht morgens wach, und wenn Sie sich den Tag über bewegt haben, schlafen Sie auch besser.”
Ich: “Hab ich probiert, hat nicht funktioniert.”
Sie: “Dann haben Sie was falsch gemacht.”
Ich: “Nein.”
Sie: “Vielleicht haben Sie es nur nicht lange genug probiert.”
Ich: “Ich habe schon immer viel Sport gemacht, anstrengenden Sport, mehrmals die Woche, und ich bin laufen gegangen, jeden Tag, mehrere Wochen lang, aber ich hab mich danach nur elend gefühlt, nicht wacher, und besser geschlafen habe ich auch nicht.”
Sie: “Nein, also, das kann nicht sein. Irgendwas haben Sie falsch gemacht.”
Ich hätte die Frau sowas von an die Wand klatschen können!
In Sachen ‘Körper annehmen’. Ich weiß nicht, was du schon alles probiert hast, und wahrscheinlich erzähle ich dir hier nichts neues, aber ich sags mal trotzdem:
Mir hat es sehr geholfen, mir beim Duschen viel Zeit zu lassen, das warme Wasser zu genießen, mich aufs Sauberwerden zu konzentrieren und wie sich meine Haut anfühlt und so; ich leiste mir gutes Shampoo und Pflegespülung; nach dem Duschen creme ich mich mit teurer, lecker riechender Creme ein, auch wieder sorgfältig und achtsam. Dann laufe ich nackt in mein Zimmer rüber und such mir ganz genau aus, was ich anziehen will; wichtig ist, dass es mir grad in dem Moment gefällt und dass ich weiß, dass ich mich drin wohlfühlen werde.
Was auch ganz gut ist, für mich aber phasenweise sehr schwer, ist, mich richtig gut zu ernähren. Also, erstmal genug trinken, und dann essen, worauf ich wirklich Lust und Appetit habe, und mir hin und wieder auch mal einfach was besonders Leckeres zu schenken. Manchmal esse ich, bis ich platze, manchmal bis der Teller leer ist, manchmal bis ich satt bin, manchmal bis ich keinen Hunger mehr habe, und manchmal bis ich nicht mehr mag. Je nach dem, wie mir gerade zumute ist.
Ich esse tendenziell zu wenig, aber solange ich mich gesund fühle, körperlich leistungsfähig bin und dem Essen nicht zwanghaft gegenüberstehe, sehe ich darin kein Problem. Ich denke mir, das gleiche gilt für Leute, die tendenziell mehr essen als ‘unbedingt nötig’. Solange der Körper gesund ist (und auch deutlich übergewichtige Menschen können vollkommen gesund sein!!!) und sie alles machen können, was sie gerne machen wollen, ist alles in Ordnung.
Generell ist das Prinzip halt: Kümmere dich gut um etwas, dann wirst du es auch lieb gewinnen. Das ist am Anfang ewig schwer, weil man sich um was kümmern soll, das man nicht ausstehen kann, aber man hat ja immer mal nen lichten Moment hier und da, und wenn man darauf achtet, diese Momente zu nutzen, werden sie mit der Zeit häufiger 🙂
Ich hoffe, du hast in den jeweiligen Siuation entsprechend reagiert und den Arzt/Therapeuten gewechselt.
Es ist schade, dass du bisher keine einfache Lösung gefunden hast, die dir hilft, dich besser zu fühlen. Nicht, dass das besonders wahrscheinlich wäre, aber wäre doch schön gewesen.. Ich höre das Sport-Argument auch oft, hauptsächlich zum Thema Depressionen. Mich nervt daran vor allem, dass ich mich ständig rechtfertigen muss, warum ich dieses und jenes vorerst aufgegeben habe oder warum ich etwas anderes nicht einfach mal ausprobiere. “Einfach mal machen”, wenn ich das noch mal höre, krieg ich nen Wutanfall.
Es gibt eine Sache, die mir persönlich ein bisschen hilft, bei den Depressionen und beim Wohlfühlen im eigenen Körper und das ist Yoga, allein zuhause im Wohnzimmer. Und ich bieg mir das dann immer so zurecht, wie ich es gerade brauche. Manchmal mach ichs auch sportlich, meistens aber ist es einfach Therapie, denn es schult genau das, was ich brauche: Meinen Körper bewusst benutzen, langsam und ungequält, wie es sich gerade gut anfühlt. Ich fühle mich in meinem Körper überhaupt nicht wohl und oft macht Sport das Gefühl noch schlimmer, wenn ich merke, dass ich nicht besonders fit bin, schlanke, hübsche Leute an mir vorbei sprinten usw.
Was mir vor ein paar Jahren ebenfalls sehr geholfen hat war Meditation. Nicht die wischiwaschi Esoterikversion. Das wird ja auch gezielt als Therapiemethode eingesetzt und hat neurologisch nachweisbare Auswirkungen. Sich mal 20 Minuten nur auf den eigenen Atem zu konzentrieren kann erst mal ganz schön irre sein, aber auch wahnsinnig heilsam in Sachen Selbstwahrnehmung.
Das alles wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, bei mir nicht und bei dir nicht. Aber es kann ein Anfang sein oder wenigstens ne kleine Rettung für zwischendurch.
Du hast die fehlende soziale Kompetenz deiner medizinischen Umgebung genial analysiert, die sich ins gesellschaftlich anerkannte “Heilsversprechen” (< - die Beschreibung gefällt mir) flüchten. Und du hast definitiv recht, dieses auf den Sport hinweisen nervt. Und wenn du dann Sport machst, musst du auch noch den richtigen und die richtige Dauer dafür aufwenden. Sie wissen es immer besser. Und sie lassen dir auch keine Wahl, das zu tun, was für dich richtig ist. Das weißt nur du allein. Es kann dauern, bis du fähig bist, gegen all die Widerstände zu dir selbst zu stehen und das zu machen, was für dich gut ist. Bin 47 und hab erst seit Beginn meiner Wechseljahre das Gefühl mich in meinem Körper wohlzufühlen. Vielleicht bist du da schneller, weil du jetzt schon die Wut auf diese bescheuerte Umwelt spürst.
Es ist tatsächlich der Umgang, der die Belastung darstellt. Nicht respektiert werden. So ein seltsamer Dreh entsteht dann, dass ich das irgendwie lösen muss,als Individuum. Immer schön auf die einzelne Person abschieben…
Aber danke für eure Gedanken, ist ja doch oft so, dass es auch eine Übergangslösung braucht bis die gesellschaftliche Veränderung sich durchsetzt.
Und ja, Wut ist gut. Mehr davon.
Ich finde schon, dass es einen Zusammenhang zwischen den Gefühlen und Sport gibt.
Ich hatte gerade 3 Monate lang Prüfungszeit, saß jeden Tag allein 14 Stunden lang am Computer, in der gleichen Haltung..
Irgendwann war es mir genug. Ich bin raus gegangen, auf einen Feldweg und einfach losgerannt. Hab meine Muskeln gespürt, wie wieder Leben in mir erwacht.
Wenn ich eine Zeit lang keinen Sport machen kann, geht es mir psychisch richtig schlecht.
Mein Vater hatte wegen seiner Schilddrüse eine Art Depression. Die Medikamente haben nur bedingt geholfen. Erst, als er anfing sich regelmäßig zu bewegen, wurde es besser.
Der Mensch ist dazu gemacht, sich zu bewegen. Er musste den ganzen Tag unterwegs sein, um Essen zu finden. Die heutige Gesellschaft sitzt faul auf dem Sofa, in stickiger Luft und ohne seinen Körper mal richtig auszupowern.
Und dann wundert er sich, dass er antriebslos und traurig wird (ich weiß, du bist nicht traurig)
Ich will überhaupt nicht sagen, dass ich deine Probleme verstehe und dass das alles nicht tiefer geht und psychische Ursachen hat. Ich kenne dich nicht.
Aber Bewegung hat einen grooßen Einfluss auf die Stimmung. Schade, wenn das bei dir bisher nicht geklappt hat, aber willst du wirklich aufgeben und aus Trotz zu Hause sitzen?
Ich hoffe du nimmst mir das nicht übel. Ist nicht böse gemeint.
Liebste Grüße
Hast du das eigentlich mal durchchecken lassen? Ob es dir gesundheitlich gut geht?
Wie gesagt bei meinem Vater kam es durch eine Unterfunktion im Körper und bei vielen Anitbabypillen stehen Depressionen und andere Psychische Nebenwirkungen unter “häufig” (1 von 100).
Wie gesagt, es spielt ja keine Rolle OB ich Sport mache oder nicht. Darum geht es mir auch nicht. Ich mach gern mal Sport, aber dass ist irrelevant gerade.
Es geht um eine Gesellschaft, die ein Nein nicht akzeptiert, um Fatshaming oberflächliche Zusammenhänge.
Ich weiß ziemlich genau wann es mir warum nicht gut geht. Und das hat nichts mit faul auf dem Sofa rumliegen zu tun.
Sport ist völlig okay, können alle Sport machen wenn es sie glücklich macht. Schön, dass es bei dir funktioniert und dir gut tut! Aber a) wird bei Dicken davon aufgegangen dass Sie eh keinen Sport machen und b) ist ein: “mir schadet das mehr als es mir hilft” ein NEIN.
Und es ist ja nicht so, dass dieser Satz nicht auch kommt wenn es mir total gut geht! Ich häng ja tatsächlich nicht den ganzen tag deprimiert rum. Feminismus macht schließlich glücklich. 😉
Danke, so hab ich’s verstanden =)
Und hast du das den Ärzten genauso erklärt?
Dass die Gesellschaft sich einen Dreck um einen kümmert und nur auf Oberflächlichkeiten achtet bekommt ja aber jeder zu spüren. Ich kann mir vorstellen, dass vor allem Über-/Untergewichtige Menschen damit zu kämpfen haben, aber es ist ja nicht so, als hätte nicht jeder Schwierigkeiten damit, sich nicht von der Meinung anderer Abhängig machen. Wirst du wirklich öfters richtig verletzt, oder machst du dir nur zu viele Gedanken, was andere über dich denken?
Uff, sooo wahre Worte! Mir wurde Sport auch in allen Lebenslagen nahegelegt (nicht vorrangig wegen “Abnehmen-Müssen”, sondern wegen dauerhafter Schmerzen. Ich habe dann stets begründet, warum ich NICHT in ein öffentliches Fitnessstudio oder Sportkurse gehen und ganz sicher auch kein Teamsport machen KANN (psychologische Gründe), und erst recht ganz bestimmt nicht halbnackt in einer Schwimmhalle rumturnen werde… aber dann hieß es nur, ich sei selbst Schuld, man könne mir nicht helfen. Ja, super abgewatscht und den Kern des Problems ignoriert. Hauptsache, schön weiter den Sport-ist-die-Lösung-für-alles-Wahn propagieren. -_-
Danke, danke, danke… als ich noch Depressionen hatte, kam auch immer der tolle Vorschlag, doch mal Sport zu machen. Mein Einwand, dass mich Sport noch mehr herunterziehe (da nie gut, fit oder schlank genug), stieß auf taube Ohren. Auch, dass Depressive meiner Erfahrung nach nicht träge sind, sondern einfach wahnsinnig viel Kraft für so normale Sachen wie studieren, arbeiten, Wohnung putzen etc. brauchen, wollte niemand hören. Die Depressionen sind irgendwann mal verschwunden, als man mich schon als nicht therapierbar eingestuft hatte (ich habe meine private Theorie dazu, warum sie dann doch verschwunden sind) Mir hilft das Tanzen und vor allem das Choreographieren gegen Panickattacken, aber ich würde das niemals als etwas allgemein gültiges darstellen wollen. Übrigens bin ich der Meinung, dass der Geist eher den Körper bestimmt als der Körper den Geist (noch so eine private und nur auf eigener Erfahrung basierende Vermutung).
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