Schlagwort-Archiv: gewalt

13 Reasons Why

Wer ungespoilt die Serie gucken will, sollte vielleicht lieber nicht diesen Text lesen. Ich ordne das was in der Serie passiert ein, ohne genaue Szenen zu beschreiben, aber dennoch. Es geht immerhin um den Inhalt. Also: Spoiler-Alert.

„13 Reasons Why“ (Tote Mädchen lügen nicht) ist die zweite Serie die ich in letzter Zeit geguckt habe, bei der es viel um sexualisierte Gewalt geht. Während ich „Top of the lake“ ohne jedes Zögern weiterempfehlen würde, stocke ich bei 13 Reasons Why. Ich habe die Serie angefangen, weil mir der Antihype aufgefallen ist. Die gefährliche Serie, die Jugendliche gefährdet. Das hat mich neugierig gemacht. Und skeptisch gegenüber den Kritiker_innen, die der pathologisierenden und individualisierenden Meinung sind, dass über Suizid nur als Folge einer heilbaren Krankheit verhandelt werden darf. Ich wollte mir ein eigenes Bild machen.

Die Serie wird erzählt aus der Perspektive von Clay. Seine Mitschülerin Hannah hat sich umgebracht und Tapes verschickt. Tapes mit 13 Gründen, warum sie sich getötet hat. 13 Gründe, direkt an Personen adressiert. Durch Clays Augen verfolgen Zuschauer_innen mit, wie Hannahs Verzweiflung immer stärker wird, wie Mitschüler_innen sich in Diskussionen um Lüge, Wahrheit, Schuld und Verantwortung verstricken.

Hier meine erste Zusammenfassung der Serie in Punkten:
Freude? 1/10
Hilfreich? 7/10
Realitätsnah? 10/10 Weiterlesen

Betroffenheit schützt nicht davor Scheiße zu sein

Ein Text über #Opfer, #Erlebende, Betroffenheitsargumente und Debatten über Vergewaltigung.

Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal hat ein Buch geschrieben. „Vergewaltigung. Kulturgeschichte eines Verbrechens“. Es war das erste Buch seit langem, dass mich so richtig in Rage gebracht hat. Manchmal war ich so wütend, dass ich nicht weiterlesen wollte. An anderen Stellen hatte ich nicht genug Zettel zum markieren parat, weil selten eine so genaue, treffende Worte findet. Unter Freundinnen sprachen wir eine zeitlang immer wieder über „das Buch“. Wir wüteten und feierten, etwas, was lange kein Buch geschafft hat: So sehr zum Thema zu werden.

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Mythen über Mythen. Was das Heimwegtelefon mit rape culture zu tun hat

Aktuell begegnet mir über viele verschiedene, besonders feministische Kanäle, das Projekt „Heimwegtelefon“. Das Heimwegtelefon soll nachts auf dem Weg nach Hause mehr Sicherheit bieten. Ich bin irritiert bis verärgert. Da die Problematik dieses Projektes vielen nicht deutlich ist, habe ich versucht, nochmal genau aufzuzeigen, was so schwierig daran ist, kontext- & historienlose Aktionen zu starten. Das Heimwegtelefon reproduziert viele Mythen und die Arbeit, die Frauen seit Jahrzehnten in Gruppen und Institutionen gegen Diskriminierung und Gewalt leisten wird völlig übergangen. Es wird nicht auf Wissen zurückgegriffen, das Feministinnen mühsam angeeignet haben und immer immer wieder wiederholen.

rape culture besteht nicht nur aus allgegenwärtigen Übergriffen, sondern AUCH aus der permanenten Angst vor diesen. Durch die Fokusierung auf die Angst vor Übergriffen auf der Straße wird wieder einmal verschleiert, wo Gewalt (besonders gegen Frauen) in unserer Gesellschaft stattfindet. Wieder ein Projekt, dass die Aufmerksamkeit weg von den Häusern verschiebt, weg von den Familien und Beziehungen – hin zu einer diffusen Gefahr von der Straße, dem Fremden.

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“Nicht-konsensualer Sex”

Dies ist ein Text über „nicht-konsensualen Sex“. Er bezieht sich auf Erfahrungen, auf Diskussionen und ganz aktuell auch auf zwei Blogtexte, die ich einfach hier echt nicht verlinken möchte. Keine Verlinkungen für Kackscheiße. Mein Text ist nichts neues. Ein paar chaotisch-strukturierte Gedanken und Analyseelemente zu dem Thema. Einfach mal rausgehauen.

 Beispiele und problematische Muster

Was wird denn so zu diesem „nicht-konsensualem Sex“ gezählt? Ein paar Beispiele. Weiterlesen

Triggerwarnungen und Worte splashen – und wer schließt wann eigentlich wen aus und ein?

Warum noch ein Text zu Triggerwarnungen
Ich dachte erst: Sicherlich schon total durchgekaut das Thema. Dann habe ich recherchiert und nichts gefunden, dass mich überzeugt hat. Gleich vorweg: Ich bin kein Fan von Triggerwarnungen und erst Recht nicht von Splashen (Die Vokale bei bestimmten Worten durch Sternchen ersetzen). Aber die Texte gegen Triggerwarnungen waren so unterirdisch – in diese Linie möchte ich mich nicht stellen.
Aktuell wird das Thema in der ak aufgegriffen mit dem Text: „N-Wort, Sl*ts und Triggerwarnung – die neuen linken Sprachpraktiken schaffen vor allem eines: neue Ausschlüsse“. So ganz wird es mir nicht deutlich worum es in diesem Text eigentlich gehen soll. Sexismus wird mit Rassismus verwechselt und Ausschluss mit Diskriminierung gleichgesetzt. Es wird ein Geheimbund von Eingeweihten herbeifantasiert – woher auch immer. Ganz viel dreht sich um Ausschluss – dabei geht es doch gar nicht darum.
Triggerwarnungen oder splashen sind keine ausschließende Sprachpraxis. Ja, es ist ungewohnt wenn Vokale fehlen – aber die werden nicht zum Verständnis benötigt. Es mag irritieren. Irritation ist aber gut, weil sie zum nachdenken anregt. Die Normalität durchbricht. Ich liebe Irritationen. Auch wenn es manchmal keinen Spaß macht und nicht leicht ist. Muss es aber auch nicht sein. Warum ich es trotzdem nicht gut finde, steht weiter unten. Weiterlesen

„Homosexualität ist vor allem eine Beziehungsstörung.“

Mir wurde ein bisschen schlecht als ich die Broschüre der Freien evangelischen Gemeinde zum Thema Homosexualität öffnete. Sieht genauso aus wie die zum Thema „sexuellem Missbrauch“. Und das war unterirdisch. Dazu aber ein anderes Mal etwas. Warum lese ich sowas? Weiterlesen

Nachtwunden

Cilia liegt einfach da im Bett. Starrt aus dem Fenster. Drückt zum Siebten Mal den Alarm weg. Das Handy in der Hand, den Finger auf der Taste. Die meiste Zeit liegt sie nur da, starrt aus dem Fenster. Manchmal schreckt das Klingeln sie aus ihre Lethargie. Dann kriecht sie weiter unter die Decke, verschwinden zwischen ihren Kopfkissen. Manchmal zieht sie mit dem Arm das Kissen runter, aufs Ohr, aufs Gesicht. Und einem Impuls nachgebend drückt sie kräftiger zu, sodass die Luft knapp wird.
Passive Suizidalität.
Wortspielerei beim Aufwachen.
In der Leere verlieren, damit die Träume fort bleiben.
Cilia hat wieder schlecht geträumt. Kein Schreitraum, bei dem man aufwacht weil man zu sterben droht. Einer der zehrenden Art, keine Ausbruch, keine Ende, keine Katharsis. Nur das Gefühl von Angst und Ohnmacht.
Bruchstücke eine zerstörten Welt, die sie nun mühsam einsamen und wieder zusammen setzen muss. Die Puzzelteile haben ganz unterschiedliche Farben und Formen. So wie Gewalt eben verschiedene Wunden schlägt. Brüche, Schürfwunden, Schnittverletzungen.
Erfahrungen, die nicht ins Leben integrierbar sind, weil sie keinen Sinn ergeben, weil es Momente sind, in denen das Subjektsein, eine eigenständige, fühlende Person zu sein, in Frage gestellt wird.
Cilia starrt wieder nach draußen, verliert sich mit ihrem Blick in der Leere. Sie fühlt den Schmerz nicht mehr. Es ist nicht ihr Schmerz.

Nicht da, Nicht Pusteblume

Neues gibt es auch bald, aber da ich gestern Nacht nebst vieler Schriftbruchstücke auch noch ein paar Texte eingesprochen habe, gibt es eine alte Geschichte von mir als MP3 Datei, damit ihr euch schön zum Urlaubsgefühl was vorlesen lassen könnt. Unter Prosa könnt ihr sie auch lesen, sie ist von 2007 zum einem Schreibwettbewerb unter dem Motto “Nix wie weg?!”.

Es ist eine Schulgeschichte. Oder eine Geschichte über eine andere Wirklichkeit. Oder über Mobbing. Auf jeden Fall ist es eine Geschichte übers Verlorengehen undoder Wütendwerden.

Nicht da, Nicht Pusteblume by Steinmaedchen

menschenglueck

regentropfen gleiten die scheibe
entlang
träume entschwinden
fenstertod
recht in reih und glied
hassgefickt
sonnenblausee
grünwiesenwalderde
knall gegen die wand
aufpralltod
lebensfassadenzerstörungswut
splitterglas
tod den tränen
fratzengrinsen

Ein Stückchen Leben

Vorsichtig schleicht er sich nach Draußen. Die Kälte des Bodens dringt durch seine nackten Füße in seinen Körper. Frische Luft umspielt seine Knöchel, ein leichter Wind fährt über seine Haut. Er setzt einen Fuß nach dem anderen auf. sanft und langsam. Er spürt die Erde unter seinen Fußsohlen, doch er friert nicht. Er fühlt die Energie die durch seinen Körper strömt.
Er geht noch einige Schritte auf dem roten Boden und fängt dann an zu laufen. Er will es gar nicht, doch seine Füße fühlen eine Kraft die Bewegung fordert. Er muss ihr einfach nur nachgeben. Er rennt, seine Beine bewegen sich fast anmutigen, sacht berühren die Füße die Erde und stoßen sich wieder ab. Fast lautlos läuft er der unbefestigten Straße entlang, die tief ins Land hinein führt, direkt auf den Mond zu. Nur wenn er ganz genau hinhört, kann er ein leisen Tapsen hören, ein Geräusch, dass nur durch nackte Füße auf harter Erde erzeugt werden kann.
Er gibt sich dem Rhythmus des Laufens hin, ganz gleichmäßig bewegt er sich durch die Nacht. Seine Gedanken erliegen der Gleichförmigkeit.
Der Mond leuchtet hell und taucht die Welt in dunkle Schatten, die Umrisse von den hohen, fast kahlen Bäumen heben sich vom Dunkelblau des Himmels ab.
Plötzlich wird er gepackt von einem Gefühl der ungebändigten Freiheit. Es ist als würde er fliegen, als wäre er nicht mehr auf dieser Welt. Er springt in die Luft, macht größere Schritte, fast Sprünge – er ist frei!
Er wendet sich zur Seite, runter von der Straße, spürt ein paar spitze Steine unter den Füßen, die picksenden Grashalem – doch sie stören ihn nicht. Endlich ein bisschen Freiheit, keine Arbeit, nur er.
Und dann explodiert der Boden unter seinen Füßen. Erde fliegt in die Luft, hoch in den Himmel. Und mit ihr ein Bein und ein Arm. Die Mine hat seinen Körper in Stücke gerissen.